Blitzer können Leben retten

Feste Blitzer wirken: Studien zeigen, dass Menschen in ihrer Umgebung langsamer fahren.

03. Mai 2021
3 Minuten

Temposünder hassen sie, doch die Praxis zeigt: Feste Blitzer wirken. In ihrer Umgebung fahren Menschen langsamer und verursachen weniger Unfälle. Das gilt selbst dann, wenn der Blitzer längst eine nationale Berühmtheit ist – wie der Akkordblitzer von der Autobahn 2.

Die Autobahn am Bielefelder Berg dürfte einer der am meisten fotografierten Orte Deutschlands sein. Das liegt nicht an der Schönheit der sechs Spuren, die sich hier den Teutoburger Wald hinunterschlängeln. Grund hierfür ist eine der bekanntesten deutschen Geschwindigkeitskontrollen: Pro Jahr ertappt der Blitzer knapp 120.000 Autofahrende, die sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 Stundenkilometern halten. „Abzocke“ schimpfen einige. „Wer sich abgezockt fühlt, nimmt entweder die Geschwindigkeitsbegrenzungen und die mehrfachen ‚Radar‘-Hinweise nicht ernst – oder es fehlt an der nötigen Aufmerksamkeit“, entgegnet Friedhelm Feldmann, Leiter des Bielefelder Ordnungsamtes.


Bevor der Blitzer im Jahr 2008 in Betrieb ging, registrierten die Behörden hunderte Unfälle in diesem Abschnitt, einige mit Todesfolge. Seit Beginn der Kontrollen gebe es kaum schwere Unfälle wegen zu hoher Geschwindigkeit. Der Bielefelder Berg sei „erfreulich unauffällig“, sagt Feldmann. Und das trotz der vielen Gefahren: Rund 90.000 Fahrzeuge fahren täglich Richtung Hannover, vorbei an einer Aus- und Auffahrt, zudem bergab durch eine Kurve mit geneigter Fahrbahn.

Der Autobahnblitzer vom Bielefelder Berg beschäftigt ein ganzes Team in der Verwaltung. Feldmann betont aber, dass die Kontrollen nicht für die Kasse der Stadt gemacht werden: „Es geht um Sicherheit.“

Am Bielefelder Berg verlieren Menschen ihren Führerschein, aber nicht mehr ihr Leben.

Dass die Kontrollen auch angesichts gesunkener Unfallzahlen notwendig bleiben, zeigt die hohe Zahl der ertappten Fahrerinnen und Fahrer. Es blitzt weiter im Akkord, trotz aufgestellter Warnschilder und bundesweiter Bekanntheit: Durchschnittlich 20 Personen fahren pro Tag sogar so schnell in die Kontrolle, dass ihnen ein Fahrverbot droht. In der Bielefelder Bußgeldstelle für Verkehrsordnungswidrigkeiten bearbeiten allein 18 Mitarbeitende die Fälle des A2-Blitzers.

So kommen durchschnittlich 6,8 Millionen Euro Bußgeld pro Jahr zusammen. Zieht man Kosten für Personal, Technik und Wartung ab, bleiben noch immer Millionen für die Bielefelder Stadtkasse. Feldmann widerspricht aber energisch, nur den finanziellen Gewinn zu betrachten. „Der Gewinn ergibt sich aus dem Zuwachs an Sicherheit für die Verkehrsteilnehmenden“, sagt er und verweist auf die geringen Unfallzahlen. Feldmann ergänzt: „Wirklich niemand muss sich über den Blitzer ärgern. Die Menschen müssen lediglich achtsam fahren.“

Studie zeigt: Autofahrende sind nicht nur vor dem Blitzer achtsamer.

Wie hoch die Unfallzahlen ohne den A2-Blitzer wären, lässt sich nur vermuten. Eine Studie der Technischen Universität Dresden zeigt jedoch, dass feste Geschwindigkeitskontrollen wirken. Die Forschenden beobachteten zwischen 2004 und 2007 für die Bundesanstalt für Straßenwesen, wie sich Fahrverhalten und Unfallzahlen verändern. Im Rahmen des Projekts wurden Blitzer plus Warnschilder an zehn ostdeutschen Bundesstraßen errichtet. Bei allen untersuchten Strecken habe sich das Geschwindigkeitsniveau „zum Teil signifikant“ verringert, heißt es in der Studie. Im direkten Umfeld der Blitzer gab es kaum Überschreitungen, aber auch im weiteren Verlauf fuhren die Autos langsamer.

Die Verkehrsfachleute untersuchten dies, indem sie immer wieder Fahrzeugen nachfuhren und deren Fahrverhalten dokumentierten. Mit den Geschwindigkeiten gingen auch die Anzahl sowie die Schwere der Unfälle zurück. Die Forschenden folgern, es sei durch feste Blitzer gelungen, „eine deutliche Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erzielen und damit das Unfallrisiko auf den Untersuchungsstrecken teils erheblich zu senken“. Auch zwei Jahre nach Bau der Blitzer stellte sich keine Gewöhnung ein: Kaum jemand trat hinter dem Blitzer kräftig aufs Gas, sehr hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen waren selten. Einzig Motorradfahrende zeigten sich unbeeindruckt von den Kontrollen.

„Niemand muss sich über den Blitzer ärgern. Die Menschen müssen lediglich achtsam fahren.“

Auch mobile Blitzer wirken – haben aber eine andere Funktion.

Untersuchungen, die noch länger zurückliegen, sprechen von 50 bis 85 % Unfallrückgängen durch feste Blitzer. Gleichwohl „erziehen“ sie die Autofahrenden nicht generell, sondern disziplinieren sie nur für kurze Zeit. Denn werden Blitzer wieder abgebaut, steigen an jenen Orten auch wieder die Geschwindigkeiten und Unfallzahlen. Vergleichbare Studien zu mobilen Blitzern zu machen, ist kaum möglich. Sie ziehen nach wenigen Stunden um, sodass ein Vorher-Nachher-Vergleich nicht infrage kommt. Mobile Blitzer erwischen, bestrafen und bleiben vielen dadurch nachhaltig im Gedächtnis.

Für feste Blitzer gibt es viele Gründe, erläutert Koettnitz. Viele sorgen für Verkehrssicherheit, andere kontrollieren die Geschwindigkeit, um Tiere zu schützen oder Schadstoffemissionen zu senken.

Blitzer retten nicht nur Menschenleben, sondern auch Fledermäuse.

Wer Blitzer dennoch für Abzocke hält, darf nicht vergessen: Es gibt neben der Sicherheit weitere Gründe für Geschwindigkeitskontrollen. Einige Blitzer etwa überwachen Tempolimits, die zum Lärmschutz eingerichtet werden. Aber auch Tier- und Umweltschutz können Argumente für Blitzer sein, sagt Reinhard Koettnitz. Der Professor an der TU Dresden übernahm jenen Lehrstuhl, der einst die Bundesstraßen-Blitzer-Studie durchführte – und er leitete früher das Straßen- und Tiefbauamt von Dresden. In Koettnitz’ damaliger Amtszeit bekam die berühmte Waldschlößchenbrücke einen Blitzer. Der Grund für diesen Blitzer liegt nicht unbedingt auf der Hand: Fahrzeuge sollen hier langsam fahren, um tief fliegende Fledermäuse zu schützen.

Auf der viel befahrenen Dresdner Bergstraße werden ebenso teure Fotos gemacht. Auch hier gehe es nicht ums Geldverdienen, sagt Koettnitz, sondern darum, den Schadstoffausstoß zu senken. Viele Autofahrer überschritten auf der gut ausgebauten Bergstraße Tempo 50. Das führte zu einer so hohen Luftbelastung, dass ein Verfahren der EU drohte. „Wer hier mit 70 bergauf fährt, stößt ähnlich viele Schadstoffe aus wie mit 120 auf einer flachen Autobahn“, sagt Koettnitz. Statt das Tempolimit auf 30 zu senken, errichtete die Stadt einen Blitzer, damit Tempo 50 eingehalten wird. Das klappt jetzt besser, die gemessenen Schadstoffwerte sanken – ein erneuter Beweis, dass Blitzer wirken.

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